Juli 2021
„Nun lass mal die Kirche im Dorf.“ Mit diesem Spruch braucht keiner in Zülichendorf zu kommen. Die kleine 285-Einwohner-Gemeinde hat gar keine Kirche. Dafür eine Grundschule, Kita, Bäcker und Schmied, Tierarzt sowie viele
kleine Handwerksbetriebe.
Ortschronist Detlef Querhammel vor dem Glockenturm, der 1892 errichtet wurde und das Holzglockenhaus von 1842 ersetzte.
Die fehlende Kirche im Ort ist ein Rätsel. Nicht mal der Ortschronist und frühere Bürgermeister
Detlef Querhammel (68) konnte in den alten Unterlagen herausfinden, ob es jemals eine gab. Dabei leben seine Vorfahren nachweislich bereits seit 1678 in Zülichendorf. Erstmalig erwähnt wurde die Ansiedlung 1285 als „Czulkendorff". Im 30-jährigen Krieg war das Dorf wüst und verlassen. Erst 1684 waren wieder 3 von 20 Gehöften bewohnt. Dafür ziert ein Glockenturm den alten Dorfkern. Er ist das Wahrzeichen von Zülichendorf und das Bauwerk ziemlich einmalig in Brandenburg. Für jedes Ereignis werden die Glocken geläutet. Dafür muss Detlef Querhammel
die genauen Zeiten wissen, um das automatische Geläut einzustellen, etwa zu Feiertagen, am Vortag einer Beerdigung und nach der Trauerfeier, wenn der Sarg zu Grabe getragen wird. Auch sonntags wird der bevorstehende Gottesdienst
im Nachbarort signalisiert. In den 1950er und 1960er-Jahren fanden die Andachten noch bei einer Familie im Wohnzimmer statt. Und täglich um 18 Uhr wird der Feierabend im Ort eingeläutet. Die Kinder im Ort orientieren sich daran. Nur einmal versagte die Technik. „Das gab mächtig Ärger bei einem Nachbarskind, als er zu spät nach Hause kam“, erinnert sich der Ortschronist. „Dabei konnte das Kind gar nichts dafür.“
Die 700-Jahr-Feier begingen die Zülichendorfer 1985 mit einem historischen Festumzug. Foto: Gemeinde Zülichendorf
Schulstandort erhalten
Die Kinder nehmen in Zülichendorf einen ganz großen Stellenwert ein. Ohne sie sähe das Dorfleben
anders aus. Obwohl der Ort an der Landstraße L 80 nicht gerade viele Einwohner und nur wenige Straßen
vorweisen kann, gibt es hier einen modern ausgestatteten und barrierefreien Kindergarten im alten Schulgebäude
und die Grundschule am Pekenberg mit etwa 160 Kindern. Es ist eine von zwei Grundschulen in den 23 Ortsteilen der Gemeinde Nuthe-Urstromtal. Durch kluge Investitionen in der Nachwendezeit und schlaues Taktieren bei den Eingemeindungen blieb der Schulstandort wie durch ein Wunder erhalten.
„Die Schule ist ganz wichtig für unseren Ort“, sagt auch Ortsvorsteher Waldemar Jendrusch. „Denn wir haben sonst keinen Verein im Ort.“ Der Förderverein der Schule ist der einzige und das traditionelle Schulfest im September ist für das ganze Dorf offen. Auch das „Anleuchten“ vom Weihnachtsbaum am Glockenturm, was ursprünglich aus einer privaten Initiative entstanden ist, wird von der Freiwilligen Feuerwehr des Nachbarortes organisiert. Das sind feste Termine für die Zülichendorfer.
Ortsvorsteher Waldemar Jendrusch auf seiner Ranch: Hier bietet er mit seiner Frau Seminare zur gesunden Pferdehaltung an.
Besondere Architektur
Andere Dorffeste finden hier eher sporadisch und auf Privatinitiative statt. Dann backt jeder Haushalt einen
Kuchen und es wird zusammen gefeiert. Der Ortsvorsteher, der 2009 mit seiner Frau und einem Pferd aus
Berlin zuzog und einen der typischen Vier-Seitenhöfe bezog, sieht in der besonderen Architektur von Zülichendorf
einen Grund für eine gewisse Zurückgezogenheit. „Wenn man durch das Dorf fährt, sieht man oft keine Menschenseele“, so Waldemar Jendrusch. „Hier herrscht die typisch brandenburgische Bauweise der Mittelflurhäuser mit eingebauter
Toreinfahrt vor. Das Leben spielt sich hinter den Fassaden auf den Vier-Seiten-Höfen ab. Und da trifft man sich schon mal zum Plausch mit dem Nachbarn.“
Die Grundschule von Zülichendorf wurde 1960 eingeweiht und ist heute zweizügig. Der Wegweiser vor der Grundschule ist ein Geschenk der Abschlussklasse 2017.
Nuthe Wasser Zeitung Juli 2021