01.12.2021
Der Zülichendorfer Detlef Querhammel hat eine Vorliebe für altdeutsche Schriften –
Zahlreiche Bücher liegen nun als Übersetzung vor
Detlef Querhammel übersetzt seit Jahren Sütterlin- und Kurrentschriften ins Neudeutsche. Beigebracht hat er sich das autodidaktisch
Zülichendorf. Mit Fünfzehn ist es schon etwas peinlich, wenn man die Briefe, die die liebe Oma schreibt,
von den Eltern vorgelesen bekommt. Aber nicht, weil man des Lesens unkundig ist, sondern weil die Briefe in Sütterlin verfasst sind. Einer Schrift, die im Jahr 1911 im Auftrag des preußischen Kultur und Schulministeriums von Ludwig
Sütterlin entwickelt worden ist. Doch dieser Schrift war der junge Detlef Querhammel damals nicht mächtig. „Ich hab mich geärgert darüber, also habe ich es mir kurzerhand selber beigebracht“, erinnert sich der heute 69-Jährige.
Doch bei Sütterlin blieb es nicht, denn von der Neuzeit bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts nutzte man auch die Kurrentschrift, um sich mitzuteilen. Auch diese brachte sich der Zülichendorfer autodidaktisch bei.
Wissen aktiviert
Lange Jahre lag sein Wissen brach, bis er 1996 der Gründung des Heimat- und Geschichtsvereins Nuthe-Urstromtal beiwohnte. „Erst zu dieser Zeit habe ich wieder begonnen, mich mit alten Dokumenten und vergessenen Schriften zu befassen“, erzählt der Zülichendorfer. Und dabei stellte er fest: „Egal ob in den Archiven, Museen oder auf den Dachböden, es gibt derart viele verborgene Schätze, die keiner heben kann, weil sie für die meisten Menschen nicht lesbar sind.“ Und das sei besonders schade, denn man könne die Gegenwart doch erst verstehen, wenn man die Vergangenheit kennt, meint der Rentner.
Briefe im Koffer
Recht bald nahm er ein erstes großes Projekt in Angriff, das ihm der Zufall in die Hände spielte.
„Meine neuen Nachbarn fanden beim Ausräumen einen alten Koffer im Haus, in dem 325 Feldpostbriefe
aus den Jahren 1939 bis 1942 lagen“.
Sein Forschungsdrang war geweckt. „Die Briefe hatte Gerhard Benedikt an seine Frau Gertrud und der kleinen Tochter von der Front aus geschickt“, sagt er. Das war die Familie, die zuvor in dem Haus wohnte. Da alles in Sütterlin verfasst war, konnten die neuen Besitzer des Nachbargebäudes damit nichts anfangen.
Verwandte aufgespürt
Detlef Querhammel nahm sich der Feldpost an und begann mit der Übersetzungsarbeit.
Die fertigen Briefe druckte er aus und ließ sie binden. Doch das war noch nicht alles. Über Umwege gelang es ihm sogar, die Tochter des an der Front gefallenen Gerhard Benedikt zu finden. Als er sie in Berlin aufspürte, kontaktierte er sie. „Sie war überglücklich nun erfahren zu können, was für ein Mensch ihr Vater war. Diesen hatte sie ja nie kennenlernen können, denn er war an der Front gefallen“, erzählt Querhammel.
Auch dieses Originalrezept seiner Oma, das aus dem Jahr 1904 stammt, fand den Weg in das Backbuch. Quelle: Iris Krüger
Kuriose Schriften
Die alten Schriften ließen ihn seit dem nicht mehr in Ruhe, Übersetzung folgte auf Übersetzung. Darunter die alten Brandakten von Jänickendorf aus den Jahren 1793 bis1830, ein Buch über die Papiermühlen von Nuthe-Urstromtal, Historisches vom Gottower Hammer oder gar das Kirchenbuch zu Liepe von 1678. Auch Kurioses, wie ein Notizbuch eines Heilers aus dem Jahr 1900, bestückt mit Rezepten und Versen findet sich darunter. „So kann man erfahren, wie man früher zum Beispiel Gürtelrose besprochen hat“, sagt er, nicht ohne leicht über die damaligen Gepflogenheiten lächeln zu können.
Backbuch zu erstehen
Von jedem der Bücher gibt es in der Regel nur wenige Exemplare. „Allesamt kann man jedoch bei uns im Heimat- und Geschichtsverein ausleihen“, betont er. Und noch etwas kann man dort bekommen:
Ein relativ frisches Backbuch, das nach seiner Anregung entstanden ist. „Ich habe überlegt, wie der Verein ein paar Einnahmen bekommen könnte. So kam die Idee eines Backbuches“, erzählt er.
Er sammelte einige Rezepte seiner Mutter und seiner Großmutter und begann diese zu übersetzen. Auch Vereinsvorsitzende Gisela Bölke steuerte einige dazu, außerdem fertigte sie Fotos von alten Küchen- und Haushaltsgeräten an, mit denen das Buch illustriert werden sollte.
Kartoffelkuchen war der Renner
„Die Arbeit hat gut ein halbes Jahr gedauert. Dann wollten wir das Buch bei öffentlichen Veranstaltungen anbieten, doch Corona hat uns ein Strich durch die Rechnung gemacht. Daher besitzt der Heimat und Geschichtsverein Nuthe-Urstromtal derzeit noch ein kleines aber feines Kontingent an Backbüchern, die man für zehn Euro erwerben kann. „Darin findet man vergessene Rezepte aus Omas Küche, die heutzutage kaum jemand kennt“, schwärmt Querhammel. So wie das vom leckeren Kartoffelkuchen, den man unbedingt warm essen sollte.
„Davon schwärmen die Dorfältesten noch heute!“
Von Iris Krüger