19.10.2024

Läuft noch nicht überall wie geschmiert


Die Fußballer vom FSV 63 Luckenwalde belegen die Brötchen für ihre Auswärtsfahrten selbst.

Sonntag reist das Regionalliga-Schlusslicht nach Zwickau

Gurke und Salat drapieren statt Bälle halten: Kevin Tittel, Torhüter des FSV 63 Luckenwalde, gehört zum

Spielerkreis, der vor den Auswärtspartien in der Landbäckerei Schwarz Brötchen fürs Team schmiert. Foto Privat

Die Backstube in Zülichendorf spuckt Wärme in den kühlen Morgen, während der Fläming noch düster zwischen nebligen Feldern und Wäldern ruht. Kevin Tittel parkt den Wagen, der Keeper des FSV 63 Luckenwalde und einige seiner Teamkollegen steigen die Stufen zur Landbäckerei hinauf, ihnen schlägt der Geruch von Frühstück, von Croissants und Brötchen entgegen wie ein wärmender Saunaaufguss. In der Backstube steht schon alles bereit für die Mission Reiseproviant, denn: Vor den Auswärtsspielendes Fußball-Regionalligisten schmieren die Spieler ihre Brötchen selber für die Touren in die Ferne.

 

„Wir bereiten etwa 40 bis 50 Brötchen zu, die uns zur Verfügung gestellt werden“, sagt Tittel, der zum kleinen Spielerkreis gehört, der in der Nähe wohnt und wegen der kurzen Anfahrt in der Bäckerei das Stullenmesser schwingt. „Unsere Verpflegung für die Touren wird komplett in der Region hergestellt und mitgenommen, viele Zutaten kommen von Unterstützern aus der Heimat“, sagt Sportvorstand Hendrik Brösel.

 

Sportlich backt der Club, der als Schlusslicht mit nur einem Erfolg aus elf Partien tief im Abstiegskampf steckt, derzeit eher kleine Brötchen, die Brötchen für die sind exzellent und mit viel Herz gemacht. „Es gibt drei verschiedene Arten von Belag. Salami, Pute und Käse sowie frischer Salat und Gurke“, berichtet Torwart Tittel ,der in Luckenwalde lebt und mit Jonas Böhmert, Till Jakobi, Arne Rühlemann sowie Fritz Schröder das Brötchenteam bildet. „Es gibt allerdings auch vegane Alternativen. Wir teilen uns das zu dritt auf. Einer schneidet die Brötchen auf. Dann kümmert sich ein Spieler um den Salat. Und einer belegt die Brötchen“, berichtet der Keeper. Läuft wie geschmiert. Nur eben sportlich in dieser Saison noch nicht.

 

Vor der Partie an diesem Sonntag beim Tabellenzwölften FSV Zwickau (Anpfiff 13 Uhr)tief im Süden des Fußball-Nordostens allerdings wird wegen der weiten Anreise das Ritual ausnahmsweise etwas geändert. Der Proviant wird nach der frühen Abfahrt um7.30 Uhr in Luckenwalde auf einer Raststätte zubereitet und die Brötchen kommen diesmal aus einem örtlichen Hotel, das den FSV 63 unterstützt.

 

So oder so: Mit der Kraft der Heimat geht der FSV dann auf Punktejagd. Gespeist wird gemeinsam rund drei Stunden vor dem Anpfiff an einem Rastplatz. Für das Brötchenteam wartet im Stadion ein Kontrastprogramm: Von der Bäckerei, einer Wärmestube für Leib und Seele, geht es in ein Stadion, in dem gekämpft, Schmährufe gebrüllt und gerne auch das Gästeteam ausgepfiffen wird – und die Brötchen sind sozusagen das Energie spendende Bindeglied.

„Die Orte unterscheiden sich schon stark. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Bei beiden Tätigkeiten ist Teamarbeit gefragt. Man muss sich aufeinander verlassen können“, sagt Kevin Tittel, der im Sommer 2023 vom damaligen Oberliga-Absteiger MSV Neuruppin zum FSV 63 gewechselt war und sich gemeinsam mit Florian Palmowksi die Position der Nummer eins teilt.

 

„Und auch die Erwartungshaltung der Menschen ist bei beiden Tätigkeiten ähnlich. Die einen wollen gute Qualität der Ware und die anderen wollen gute Resultate beim Wettkampf. Die Emotionen sind im Stadion aus meiner Sicht natürlich deutlich anders. In der Backstube geht es sehr harmonisch zu: Mit den Mitarbeitern gibt es auch immer einen Austausch zu der jeweiligen Situation in der Liga oder auch über Dinge aus dem Alltag.“

 

In der dritten Halbzeit, wenn die Brötchen im Normalfall verspeist sind, folgt dann noch ein kulinarisches Nachspiel mit Essen aus dem Fläming: Eine heimische Kantine stellt eine warme Mahlzeit zur Verfügung. Gegessen wird entweder in der Kabine, wieder au feiner Raststätte oder in und am Bus.

 

Bei den Teamkollegen sind Schrippen und der Mittagstisch jedenfalls sehr beliebt: „Wir bekommen sehr viel Dankbarkeit zurück“, berichtet Tittel. „Wir sind als Mannschaft ohnehin sehr froh, dass wir von vielen aus der Region so unterstützt werden.“

 

Annett Paßow, die Bäckermeisterin, die das Geschäft mit ihrem Bruder Christian Schwarz betreibt, sagt: „Für uns ist das auch sehr angenehm, uns mit den Spielern auszutauschen, die sind alle sehr lieb und angenehm. Ich gebe den Spielern am Ende immer eine Schokoladenstange mit und sage: Ihr entscheidet, ob es eine Gewinner-Praline oder ein Trostpreis ist.“

 

In der vergangenen Saison habe es von der Luckenwalder Mannschaft beim Brötchen-Termin einen Blumenstrauß, ein T-Shirt mit Unterschriften und eine Einladung zum letzten Heimspiel gegeben. „Ich habe dann ganz stolz das T-Shirt mit den Unterschriften getragen und viele haben gefragt: Ey, wo hast du das denn her?“, sagt die Bäckerin. Aus der Landbackstube im beschaulichen Zülichendorf, wo die Reisen des FSV 63 in die Ferne ihren Anfang nehmen.

MAZ vom 19.10.2024